Baustellenlogistik

Der Begriff der Baustellenlogistik – auch Baulogistik genannt – stammt aus dem Ende des letzten Jahrhunderts, dennoch ist die moderne Baulogistik nicht mit den Aufgaben aus deren Anfängen vergleichbar.

Von der ursprünglichen Einrichtung von Ver- und Entsorgungsmöglichkeiten sowie der Stellung von Baustellenumzäunungen hat sich die Baulogistik hin zu einer eigenen, ganzheitlichen Planungs- und Organisationsform gewandelt.

Das Umfeld der aktuellen Baumaßnahmen und die notwendige Akzeptanz bei der betroffenen Bevölkerung erfordert ein Umdenken bei der Belastung durch Emissionen wie Staub, Lärm und Verkehrsbeeinträchtigungen, welche durch den Baustellenbetrieb verursacht werden.

Hinzu kommt der ökologische Aspekt der Umweltverträglichkeit und der Nachhaltigkeit sowie die Reduktion der negativen Einflüsse auf die beteiligten Arbeitnehmer. Der ökologische Ansatz hat auch makro- und mikroökonomische Vorteile für alle Beteiligten an einer Baumaßnahme. So wird beispielsweise neben der CO2-Einsparung durch reduzierte Verkehre oder bessere Verkehrsführung auch eine Kosteneinsparung bei den anliefernden Speditionen erzielt.

Eine gezielte Lieferung zur richtigen Zeit an den richtigen Ort sowie eine baustelleninterne Verteilung der Materialien an deren Einsatzort ermöglichen einen reibungs- und verzögerungsfreien Baufortschritt, von dem letztendlich alle Beteiligten profitieren.

Um diese und weitere potentiellen Vorteile zu nutzen, bedarf es vor Beginn einer Baumaßnahme einer sorgfältigen Logistikplanung und einer anschließenden, qualifizierten operativen Baulogistikausführung.

Baustellenlogistik Planung:

Schon in der Planungsphase werden die Grundsteine für den Erfolg oder Misserfolg eines Projektes gelegt. Daher ist es wichtig, eine ganzheitliche Betrachtung der Baumaßnahme, sei es ein Neubauprojekt, ein Abriss oder ein Umbau, durchzuführen. Aufgrund von Erfahrungswerten und gestützt von aktuellen BIM-Modelldaten lassen sich präzise Vorhersagen für einen möglichen Bauablauf treffen. 

Moderne Konzepte wie beispielsweise eine „hub and spoke“-Netz reduzieren die Verkehre an Großbaustellen signifikant. Durch die Konsolidierung von Warenströmen ist eine zielgenaue Anlieferung der benötigten Materialien „just in time“ möglich, wodurch eine Reduzierung von Wartezeiten, aber auch von Lagerflächen auf der Baustelle erzielt wird.

Die Ansätze des Toyota-Produktionssystems (TPS) sind zwar nicht vollumfänglich auf eine Baumaßnahme zu übertragen, jedoch sollten dessen Ziele zum Vorbild genommen werden.

  • Prozesssynchronisation
  • Prozessstandardisierung
  • Fehlervermeidung
  • Optimierung der Produktionsanlagen/-mitarbeiter
  • Kontinuierliches Training der Mitarbeiter

Kaizen, der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP), der die direkte oder auch indirekte Wertschöpfung zum Ziel hat und durch Verbesserungsvorschläge durch die Beteiligten zu Kosteneinsparungen führen kann, sowie das Kanban-System, in dem beispielsweise der kommende Bedarf eines Gewerkes an die Logistik (Kundenauftrag) übermittelt wird (Pull-Prinzip), welche daraufhin den dafür notwendigen Transport auslöst. Durch die dann erfolgende just in time-Anlieferung reduzieren sich die Materialbestände, die Lagerflächen und das Unfallrisiko durch unsachgemäße Lagerung auf der Baustelle.

Der aus dem TPS resultierende Lean Management-Ansatz schafft eine Ressourceneffizienz und wirkt dem Fachkräftemangel aktiv entgegen, da hochqualifizierte Fachkräfte für deren eigentliche Tätigkeit eingesetzt werden können und nicht mit Nebentätigkeiten wie Materialbereitstellung, Abfallbeseitigung und Wartezeiten auf verspätete Lieferungen beaufschlagt werden.

Um diese Ziele bereits in der Baulogistikplanung zu verfolgen, bedarf es einiger Voraussetzungen. So müssen beispielsweise neben den Tonnagen an Materialien auch die Materialflüsse (intern) auf der Baustelle sowie die Anlieferungen auf diese beachtet werden.

Hierzu müssen die Logistikkapazitäten für Materialien, Personal und deren Infrastruktur berechnet werden. Auch muss die Großraumplanung der anliefernden Verkehre ggf. mit externen Wartezonen, unter Einbeziehung der zuständigen Verwaltungen, durchgeführt werden.

Neben einer detaillierten Planung der externen und internen Transportkapazitäten, der Materialflüsse und der Infrastruktur steht ein sogenanntes Baulogistik-Handbuch am Ende einer solchen Planungsphase. Diese detaillierten Unterlagen bieten die Basis für die operative Baulogistik und die reibungsfreie Durchführung des Bauvorhabens.

Operative Baustellenlogistik:

Die operative oder durchführende Baulogistik ist fester Bestandteil eines Bauprojekts. 

Nach der detaillierten Planung und der Erstellung eines Baulogistikhandbuchs erfolgt zunächst die Umsetzung der Baustelleninfrastruktur. Neben den altbewährten Aufgaben, der Erstellung der Anschlüsse wie Wasser, Strom oder IT, dem Aufstellen der Begrenzung des Baufeldes und der Anlage der Baucontainer sowie der Lagerungs- und Parkplätze kommt der operativen Baulogistik auch die Umsetzung der geplanten Andienung und Abtransporte zu. Mit einer Logistiksoftware wird beispielsweise ein Anlieferungsmanagement mit Zeitfenstern für die zu erwartenden Transporte organisiert. Nach erfolgreicher just in time-Anlieferung und Entladung des Materials wird seine Verbringung an den Einbauort innerhalb der Baustelle oder auf eine ausgewiesene Lagerfläche vom Baulogistiker durchgeführt. Zugangskontrollen zur Baustelle für berechtigte Personen gehören ebenso wie die Entsorgung von Umverpackungen zum Aufgabenbereich der Baulogistik. 

Weitere Nebentätigkeiten, wie beispielsweise die Sicherstellung einer aktiven Be- und Entlüftung oder Beschilderungen, können Bestandteile eines Logistikauftrags sein.

Neue Ansätze für Bauprojekte:

Neben dem bereits beschriebenen Ansatz, das TPS auf Bauprojekte zu übertragen und somit nach einer detaillierten Planung auch mittels KVP ein Optimum für die Baustelle zu erzielen, gewinnt aktuell auch das IPA/IPD (Integrierte Projektabwicklung für Bauprojekte) immer mehr Anhänger.

Bei IPA wird das frühzeitige, gemeinsame Planen eines Bauprojekts mit möglichst allen beteiligten Gewerken in den Vordergrund gestellt. Ziel ist es die gesammelten Erfahrungen der Unternehmen zu bündeln und somit eine optimale Planung des gesamten Bauablaufs sicherzustellen. Eine große Rolle übernimmt hierbei die Baulogistik als eine Schlüsselposition im Bauablauf. Das aktuelle Innerschweizer Vorgehen bei Projektallianzen wird im SIA-Merkblatt 2065 beschrieben. Hierbei wird speziell auf die Schweizer Belange eingegangen, wobei ein internationaler Transfer sicherlich möglich ist. 

Unsere Forschungsvorhaben im Bereich der Bauprojekte:

Aktuell sind wir in der Antragsphase für ein neues EU-Projekt zum Thema Baulogistik mit deutschen, österreichischen und schweizerischen Partnern. 

Das vorangegangene Projekt zum Thema Bauen 4.0, an dem wir als der deutsche Ansprechpartner und Antragsteller beteiligt waren, finden Sie unter dem folgenden Link:

 https://www.interreg.org/projekte-1/interreg-v/projekte/P2/SZ7/abh103

Leider liegt bislang keine verbindliche Definition eines Berufsbilds oder eine präzisere Tätigkeitsbeschreibung eines Baulogistikers vor. Daher bemüht sich die NetworkING mbH mit weiteren Beteiligten um die Erstellung einer VDI-Expertenrichtlinie (VDI-EE). Dahingehende Forschungsanträge sind bereits eingereicht.